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Die Jagdkönigsrede.
Schlesisches "Fringsen"
Nahkampf mit Sauen.
Waldi
Opas Kutschpferde
Mein erster VW-Käfer.

Die Jagdkönigsrede.

Die Jagd gehört zu den ältesten Formen menschlicher Tätigkeit. Die erfolgreichste Art und Weise dem Wild nachzustellen waren die Treibjagd in Gruppen. Sogar unsere nahen tierischen Verwandten die Schimpansen veranstalten solche gemeinsam durchgeführten Hetzjagden auf kleinere Affen. Nach erfolgreicher Jagd wird die Beute in einem Festschmaus uneigennützig geteilt.

In allen Kulturen haben sich im Zusammenhang mit dieser gesellschaftlichen Betätigung die verschiedensten Bräuche und Traditionen entwickelt. In Deutschland war die Jagd über viele Jahrhunderte zum Privileg des Adels geworden. Eine ursprünglich dem Nahrungserwerb dienende Tätigkeit war zum Zeitvertreib der Privilegierten geworden, der neben dem Vergnügen die Gelegenheit bot sich in der wichtigen Nutzung der Waffen für den Kriegsfall zu üben. Kein Wunder, dass sich rund um diese Betätigung auch bei uns zahlreiche Sitten ausgebildet hatten, die zum Teil auch heute noch üblich sind.

Bei den Gesellschaftsjagden ist es üblich die Zahl und Art der erlegten Tiere genauestens zu registrieren. Außerdem wird die Menge und Spezies der erlegten Beute eines jeden Jägers ermittelt. Am Ende der Jagd wird dann aus Menge und Wertigkeit des Wildes nach einer bestimmten Rangordnung der Jäger mit der größten "Strecke" genannten Anzahl von geschossenem Wild ermittelt und vom "Jagdherrn", der die Jagd veranstaltet, zum "Jagdkönig" erklärt. Die Sitte gebietet, dass der Jagdkönig beim auf die Jagd folgenden gemeinsamen Festmahl eine Dankesrede im Namen der Jagdgäste auf den Gastgeber hält.

In den Jahren nach dem ersten Weltkrieg war mein Vater nach Abschluss seiner landwirtschaftlichen Lehrzeit als junger Verwalter auf einem Gute des Fürsten Ratibor in Schlesien tätig. Durch seine Mutter, die aus Oberschlesien stammte, hatte er zahlreiche Verwandte unter den adeligen Gutsbesitzern der Provinz. In den Wintermonaten war für diese die Jagd nicht nur ein Zeitvertreib, sondern auch eine wichtige gesellschaftliche Veranstaltung, auf der man Nachrichten austauschte und Freunde traf. Dabei spielte der Rang und das Ansehen des Einzelnen natürlich eine große Rolle. Wer wen zu welcher Jagd einlud war für den Klatsch untereinander von besonderer Wichtigkeit. Die Hierarchie in der Gesellschaft war dazumal noch stark von der Monarchie bestimmt, die ja soeben erst geendet hatte und deren Wiedererrichtung sich ein beträchtlicher Teil des Adels erhoffte. Der Wetteifer um die beste Jagd im Lande wurde daher nicht nur von der Anzahl des geschossenen Wildes bestimmt sondern auch von der Bereitschaft der gekrönten Häupter und Magnaten einer Jagdeinladung Folge zu leisten. Wenn ein Jagdherr die Zusage eines solchen Gastes erhalten hatte, setzte er natürlich Alles daran, den hohen Herrn zufrieden zu stellen. Dieser bekam die besten Stände in den Treiben und wurde beim Diner ranghoch in der Tischordnung gesetzt.

Ein junger Mann ohne eigenen Grundbesitz wie mein Vater, der nicht in der Lage war selbst zu einer Jagd einzuladen, rangierte in der Hierarchie der Jäger in dieser Gesellschaft ganz unten. Die Chance für ihn , der ein passionierter Jäger war und recht gut schoss, zu einer guten Jagd eingeladen zu werden war denkbar gering. Einzig seine Verwandten, zu denen er ein gutes Verhältnis hatte, luden ihn hin und wieder ein.

Sein Vetter H., mit dem ihn ein besonders freundschaftliches Verhältnis verband, hatte ihn zur Jagd auf Niederwild eingeladen. Er freute sich besonders darüber, weil diese von den zahlreichen Jagden, die sein Vetter veranstaltete, die mit den besten Streckenergebnissen der ganzen Gegend war. Zu einer solchen Jagd wurden natürlich in erster Linie die hohen Herren eingeladen, die der Ehre des Hauses dienlich waren. Mein Vater wusste, dass er diese Einladung der Zuneigung und Freundschaft seines Vetters verdankte.

Als der Jagdtag herannahte packte mein Vater schon am Vorabend seinen Smoking samt zugehörigen Utensilien, den er für das abendliche Diner benötigte, in den Koffer und auf den Gepäckträger seines Motorrads. Er musste sich nämlich am nächsten Morgen schon früh um sechs Uhr zum Schlosse seines Vetters auf den Weg machen, weil sich die Jagdgäste dort um sieben Uhr zum Frühstück versammelten.

Die Fahrt in der Dunkelheit des Wintermorgens am nächsten Tag war mühselig, weil es in der Nacht Schnee gefallen war, der die Straße hoch bedeckte. Er musste in den Spurrinnen der Autos fahren, um auf festem Schnee zu bleiben. Ein wenig verspätet rollte er gemeinsam mit einer Kolonne großer Limousinen auf den Schlosshof. Während die Chauffeure ihren Herren die Türen öffneten löste er seinen Koffer vom Gepäckträger und trug ihn mit der Flinte über der Schulter im Schein der Schlosshofbeleuchtung die Eingangstreppe hinauf durch die große Tür in die Garderobe. Dort traf er auf andere Jagdgäste, denen er sich vorstellte. Fast alle trugen modische englische Jagdbekleidung. Tweedjacken, Knickerbocker und Schottenkaro.

Seinen Vetter fand er im Foyer des Schlosses. Dieser begrüßte ihn herzlich mit einer Umarmung und begann sogleich ihn den anwesenden Schützen und den Ehefrauen, die einige von ihnen begleiteten, vorzustellen. Nachdem sich die Mehrzahl der Gäste um ihn versammelt hatte öffnete ein Diener die Tür des an das Foyer angrenzenden Salons und gab den Blick auf einen geschmackvoll jagdlich dekorierten Esstisch frei. Er war mit einem Porzellanservice gedeckt, das auf den Tellern barocke Jagdszenen in bunter Vielfalt und in der Mitte der Tafel Figuren von Hirschen, Rehen, Hasen und Füchsen darbot. Der Hausherr bat meinen Vater neben ihm Platz zu nehmen und forderte seine Gäste auf sich nach Belieben zu setzen. Mit Aufschnitt aller Art, einem umfangreichen Käsesortiment und von Dienern serviertem warmem Rührei sowie Kaffee und Tee rüsteten sich die Jäger für die Strapazen des bevorstehenden kalten Tages.

Einer von den Gästen, die mein Vater durch seinen Vetter neu kennengelernt hatte war der Fürst K. Er war ein mittelgroßer, schlanker und besonders sorgfältig gekleideter Mann, der auf meinen Vater bei der Vorstellung einen etwas herablassenden Eindruck gemacht hatte. Aus den Erzählungen seiner Verwandten wusste er, dass dieser Fürst K. nicht nur auf Grund seiner Stellung in der Gesellschaft auf keiner der großen Jagden fehlen durfte, sondern auch weil er sehr gut schoss. An Übungsmöglichkeiten fehlte es ihm ja auch nicht. Kein Wunder, dass er bei zahlreichen Jagden die größte Strecke aufwies und Jagdkönig wurde.

Nachdem alle Gäste ihren Hunger gestillt hatten erhob sich der Jagdherr zu einer kurzen Begrüßungsrede. Er erinnerte an die Sicherheitsvorschriften und informierte die Schützen über die an diesem Tag zu bejagenden Wildarten. Hasen, Kaninchen, Fasanenhähne, Tauben und natürlich jegliches Raubwild außer Greifvögeln war freigegeben. Danach erhoben sich alle Jagdgäste und zogen sich ihre warmen Loden- und Pelzmäntel über. Einige hatten wie mein Vater ihre Flinte und Patronentasche mit ins Haus genommen. Die Mehrzahl jedoch wurde auf dem Schlosshof von einem Büchsenspanner erwartet, der ein Paar identischer sogenannter "Schwesterflinten" und die dazugehörige Munition für seinen Herrn bereithielt.

Mit Interesse betrachtete mein Vater die Waffen der Jagdteilnehmer. Er entdeckte Flinten der verschiedensten Macharten von altertümlich wirkenden Hahnflinten mit Damastläufen über kunstvoll gravierte leichte englische Gewehre bis zu amerikanischen automatischen Schrotflinten. Die Gespräche der Jäger drehten sich meist um die Eigenschaften dieser Waffen und jeder schwor auf sein Gewehr und dessen Eigenschaften.

Auf dem Schlosshof stand eine lange Reihe von pferdebespannten Schlitten zum Transport der Schützen und Treiber sowie für das erlegte Wild bereit. Die Jagdgesellschaft bestieg diese Gefährte und unter Peitschenknallen glitt die Karawane vom Hof.

Da das Revier außer den im Osten üblichen großen Ackerschlägen immer wieder eingestreute Waldparzellen aufwies wurden Vorstehtreiben abgehalten. Die Schlitten mit den Jägern trennten sich bald von den Fahrzeugen der Treiber um die Schützenlinie aufzusuchen. Die Herren und die sie begleitenden Damen stiegen ab und folgten dem Jagdherrn, der sie anstellte. Dieser kannte auf Grund der Erfahrungen der Vorjahre die Vorzüge und Nachteile der Stände, auf denen er seine Gäste verteilte. Das Wild folgte bei seiner Flucht vor den Treibern je nach dem Wind und der Topographie bestimmten Gesetzmäßigkeiten in seiner Bewegungsrichtung. Diese waren zwar nicht starr, aber in ihrer Tendenz dem Eingeweihten bekannt.

Der mit diesen Zusammenhängen wohlvertraute Jagdherr stellte nun seine Gäste je nach Rang, Schießfertigkeit und Zuneigung auf die Plätze mit den besseren und schlechteren Erfolgsaussichten. Mein Vater fühlte sich sehr geschmeichelt, als sein Vetter ihn in der Nähe des Fürsten K. platzierte. Er wußte, daß dieser sowohl vom Rang wie auf Grund seiner Schießfertigkeit den besten Platz beanspruchen konnte. Sein Ruf als Jagdkönig eilte ihm ja voraus. Zwischen meinem Vater und dem Fürsten stand Herr v. W., ein guter Freund des Jagdherrn, den mein Vater schon vor seiner Zeit in Schlesien kennengelernt hatte und den er wegen seiner liebenswürdigen Art und seines Humors sehr schätzte.

Die Schützen umstanden den Rand einer dichten, großen und etwa mannshohen Kiefernschonung, die in einer abgerundeten Spitze auslief. Am Ende dieser Verlängerung war der Fürst K. mit seinem Büchsenspanner platziert worden. Durch den Schnee war die Sicht trotz bewölktem Himmel ausgezeichnet und jede Bewegung in der Landschaft fiel sofort ins Auge. Die Jagdgäste hatten ihre Sitze aufgeklappt und sich niedergelassen, um das Anblasen des Treibens abzuwarten.

Jenseits des Kiefernbestandes befanden sich umfangreiche Felder des Gutbetriebes, auf denen man als Deckung für das Wild Reste der angebauten Rüben, Kartoffeln und des Getreides stehengelassen hatte. Die Feldraine und die häufigen Wasserlöcher in den Schlägen waren mit Gebüsch bewachsen, in dem sich Hasen und Fasanen bevorzugt aufhielten. In Form eines großen U waren die zahlreichen Treiber um diese Felder postiert. Die Förster begleiteten sie, sorgten für Ordnung in der Kette und schossen das Wild, das die Treiberlinie durchbrach. Nach dem Anblasen des Treibens bewegte sich die Treiberwehr langsam und gleichmäßig unter Rufen über die Äcker. Jeder der Männer und Jungen führte einen dicken Knüppel mit sich, mit dem er auf den Boden und auf die Büsche der Feldraine schlug. Überall sah man nun Hasen hoch werden und flüchten. Fasane liefen an den Feldrainen entlang und strichen unter Gegacker und mit raschem Flügelschlag in Richtung der Kiefernschonung. Bald hatten die ersten Hasen die Schützenkette erreicht und man hörte Schüsse.

Die Treiberkette rückte immer enger zusammen je näher sie der Kiefernschonung kam. Mein Vater sah mit Spannung einen Fasan nach dem anderen aus den Feldrainen und Äckern in der Schonung Deckung suchen und beobachtete die übrigen Schützen, bei denen pausenlos Hasen und Fasanen geschossen und gefehlt wurden. Allmählich musste der Jungkiefernbestand von Fasanen wimmeln. Nun hatten die Treiber die Dickung erreicht. Fast hätte er einen Hasen verpasst, der in seinem Schussbereich aus der Dickung flüchtete. Nun ging auch bei Ihm der Zauber los. Hasen unten, Fasanen oben. Wohl gute 15 Minuten lang war er ständig mit schießen und nachladen beschäftigt. Ohne Büchsenspanner ging das natürlich nicht so schnell wie beim Fürsten K. Dort knallte es ohne Unterlass, denn an der Spitze der Dickung flogen die Fasanen ebenso pausenlos aus dem Kiefernbestand. Nach dem Abblasen zählte mein Vater 12 Hasen und 15 Fasanen auf seinem Stand. Beim Fürsten war es sicher die doppelte Strecke.

Mein Vater folgte Herrn v. W auf dem Pfad, den die Schützen in den Schnee getreten hatten, als dieser plötzlich stehen blieb, sich bückte und ein Papier vom Boden aufhob und las. Er wandte sich zu meinem Vater um und winkte ihn zu sich heran. Herr v. W. schmunzelte und musste sich sichtlich das Lachen verkneifen. " Schau mal, Hubert", sagte er," eine fertige Jagdkönigsrede für heute abend auf dem Stand des Fürsten". Dann legte er den Finger auf seinen Mund und flüsterte: "Psst".

Bevor das nächste Treiben angestellt wurde, sah mein Vater wie Herr v. W. den Jagdherrn beiseite nahm, kurz mit ihm sprach und ihm das Papier zeigte. Ohne eine Miene zu verziehen kehrte dieser zur Jagdgesellschaft zurück und fuhr fort, seinen Gästen persönlich die Stände auf den einzelnen Treiben anzuweisen.

Im weiteren Verlauf dieses Jagdtages, bei dem fast alle Treiben so erfolgreich wie das erste verliefen, konnte mein Vater beobachten, dass die Treiber auf den Ständen des Herrn v. W besonders große Mengen an Wild aufhoben. Das war natürlich ein Anzeichen, dass dieser ein besonders guter Schütze war, aber es deutete auch darauf hin, dass der Jagdherr ihm gute Stände zugewiesen hatte.

Diese Tatsache blieb natürlich auch den übrigen Schützen nicht verborgen. Bei Erbsensuppe und Glühwein unterhielt man sich zur Mittagspause bereits über den Jagderfolg des Herrn v. W. Mein Vater jedoch dachte an den Finger vor dessen Mund und ließ sich nichts anmerken.

Mehr als 900 Stück Niederwild lagen neben einigen Füchsen am Abend auf der Strecke, die mit Fichtenzweigen dekoriert und von Fackeln beleuchtet auf dem Schlosshof ausgebreitet wurde. Der Jagdherr gab das Ergebnis bekannt und bedankte sich bei den Treibern, den Förstern und den Schützen. Dann wurde es spannend für meinen Vater als der Jagdherr die Stimme erhob und verkündete: " Jagdkönig ist mit 115 Stück Wild zu meiner großen Freude Herr v. W." Leider konnte mein Vater das Gesicht des Fürsten K im Dämmerlicht der Fackeln nicht erkennen.

Nach dieser traditionellen Ehrung des erlegten Wildes zogen sich die Jagdgäste in ihre Zimmer im Schloss zurück, um sich zu entspannen und zum Jagddiner umzuziehen, für das Smoking als Bekleidung erbeten war.

Eine Viertelstunde vor der angegebenen Zeit betrat mein die Bibliothek des Schlosses, in der sich die Gäste vor dem Essen zu versammeln pflegten. Sein Vetter war schon anwesend. Er begrüßte ihn herzlich mit Verschwörermiene, denn er wusste durch Herrn v. W, dass mein Vater in das Komplott der Beiden eingeweiht war. Die übrigen Gäste kamen nach und nach auch in die Bibliothek, tranken den angebotenen Aperitif und unterhielten sich lautstark über den Jagdtag.

Dann öffnete ein Diener die Tür zum Esszimmer und damit den Blick auf eine mit Jagdporzellan geschmackvoll dekorierte Tafel, die im Kerzenlicht erglänzte. Die Herren suchten sich die ihnen vom Gastgeber zugedachte Tischdame und führten sie an den mit hübschen Tischkarten bezeichneten Platz. Herr v. W. als Jagdkönig durfte die Hausfrau an ihren Platz geleiten. Den Fürsten K. hatte der Jagdherr ihm gegenüber platziert.

Das Diner nahm seinen Verlauf und mein Vater, der als junger Verwalter von der Qualität der Küche her nicht verwöhnt war, genoss die leckere Vorspeise, die delikate Suppe und den zarten Rehrücken, der als Hauptgericht serviert wurde.

Nachdem das Hauptgericht abserviert war erhob sich Herr v.W. zu seiner Tischrede, die mein Vater mit Spannung erwartete.

"Sehr verehrte, liebe Gräfin H., lieber Jagdherr, liebe Gäste", begann er, " Nur einige Male in meinem Jägerleben hatte ich bisher die Ehre und die Freude Jagdkönig zu werden. Da ich kein guter Redner bin, weil es mir schwerfällt frei zu sprechen, war mir dieses Amt immer eher peinlich. Als mir dann im Laufe dieses Tages nach und nach klar wurde, dass die Ehre des Jagdkönigs heute auf mich zukommen würde, war ich sehr erleichtert, denn das Schicksal war mir hold. Schon beim ersten Treiben fand ich im Walde eine fertige Jagdkönigsrede im Schnee, die wohl Diana mir vorausahnend zugedacht hatte. Ich werde sie ihnen vorlesen: Unvorbereitet wie ich bin....."

Er las nun die elegante und mit gekonntem Humor gewürzte Rede vor, die sein Gegenüber verfasst hatte. Mein Vater beobachtete dessen Reaktion mit Spannung. Fürst K musste ja sofort erkannt haben, was da gespielt worden war und gespielt wurde. Seine anfänglich ärgerliche Reaktion wandelte sich rasch in ein Lächeln, mit dem er die Rede begleitete. Kaum war sie beendet erhob er sich, schlug an sein Glas und ergriff das Wort.

" Lieber H. ( er duzte sich mit meines Vaters Vetter), lieber Herr v. W. Sie haben mir mit ihrer kleinen Verschwörung heute eine Lehre erteilt. Diese vorbereitete Rede, meine Damen und Herren, liebe Freunde, stammt von mir, wie sie sicherlich schon erraten haben.

Mir ist durch dieses Ereignis mein übersteigertes Selbstbewusstsein klar geworden und ich möchte mich bei Ihnen für diese Überheblichkeit entschuldigen. Herr v. W. hat mir aufgezeigt, das es Jäger gibt, die erstens besser als ich schießen und zweitens meine Reden flüssiger und eindrucksvoller als ich vortragen können. Herr v. W. ich bewundere ihre Fähigkeiten."

Mit diesen Worten erhob er sich, ging an den Platz von Herrn v. W. und schüttelte ihm unter dem Beifall aller Anwesenden die Hand.

Der Rest des Abends verlief großer Harmonie und Festesfreude.

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Schlesisches "Fringsen".

Als in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg der Hunger und der Mangel an Brennmaterial in den kalten Wintern die Menschen dazu trieb, sich vermittels Diebstählen (auch "Organisieren" genannt) zu versorgen, residierte in Köln der Kardinal Frings, ein echtes Kind des Rheinlandes und ein der besten Freunde des Kanzlers Konrad Adenauer. In einer Predigt während der damaligen Hungerzeit hatte er erklärt, dass solche Diebstähle aus Not keine Sünde seien. Diese seine Äußerung sprach sich rasch herum und so entstand der "Fachausdruck" Fringsen für Mundraubdiebstahl.

Als mein Vater nach seiner Ausbildung als staatlich geprüfter Landwirt um 1925 als zweiter Verwalter auf einem Gute des Fürsten Ratibor in Oberschlesien Anstellung fand lernte er bald die feinen Unterschiede zwischen Westfalen und Schlesien kennen.

Die großen Güter im Osten Deutschlands beschäftigten schon allein wegen ihrer ausgedehnten Flächen von oft bis zu tausend Hektar sehr viel mehr Menschen als die in Westfalen, die meist nicht größer als 200 Hektar waren. Als Lehrling und junger Verwalter in Westfalen war mein Vater gewohnt gewesen als Vollarbeitskraft neben den Anweisungs- und Aufsichtspflichten mit Hand anzulegen. In Schlesien dagegen war er ausschließlich als "Beamter", wie es in der Fachsprache hieß, eingesetzt und hatte beinahe militärisch große Arbeitskolonnen zu führen und zu beaufsichtigen. Diese führten viele Ernte- und Pflegearbeiten im Leistungslohn (Akkord) aus und ein solcher Einsatz erforderte Kontroll- und Abrechnungsaufwand durch den Vorgesetzten.

Bei der Getreideernte war dazumal der Mähdrescher noch nicht im Einsatz. Nur ganz wenige Grossbetriebe besaßen einige Maschinen amerikanischer Bauart. Das Getreide wurde zur Erntezeit wie üblich von Mähbindern oder auch noch mit der Sense geschnitten, in Garben gebunden und in Scheunen unter Dach und Fach gebracht. Im Winter wurde mit Hilfe von fahrbaren Dreschmaschinen in den Scheunen gedroschen.

Vor der Scheune stand dann eine Dampflokomobile oder später ein Elektromotor, der mit einem langen ledernen Treibriemen die Dreschmaschine antrieb. Rund um die Maschine herrschte geschäftiges Treiben zahlreicher Menschen. In langer Kette reichten sich Männer in der Banse mit Gabeln die Garben zu, die am Ende auf der Plattform hoch auf der Maschine von zwei Frauen aufgeschnitten und eingelegt wurden. An einer Schmalseite der Maschine wurde das ausgedroschene Stroh ausgeworfen und von mehreren Frauen in Garben gebunden und auf Wagen geladen oder auf der anderen Scheunenseite gleich wieder eingebanst. An der gegenüberliegenden Seite des Dreschkastens waren mehrere Öffnungen, an denen man Säcke befestigen konnte, die sich dann mit dem erdroschenen Getreide füllten. Wenn sie voll waren wurden sie von Männern unter Zuhilfenahme eines Sackaufzuges huckepack genommen und auf Wagen verladen oder quer über den Hof zum Speicher transportiert und eine steile Treppe hinauf auf dem Kornboden entleert.

Bei dieser Winterarbeit war mein Vater als Aufsichtsbeamter täglich beim Dreschen dabei. Er musste darauf achten, dass die Maschine sauber ausdrosch, indem er unter dem Stroh nach Körnern suchte und die Ähren auf Restkörner überprüfte. Mittels einer Strichliste zählte er die abgetragenen Säcke, damit der Betrieb einen Überblick über die Erntemenge bekam.

Die Frauen erschienen alle mit langen wollenen Röcken zur Arbeit, die bis zum Boden reichten, denn es war im Winter meist bitterkalt. Im Laufe des Tages gab es drei Arbeitspausen, Frühstücks-, Mittags- und Kaffeepause. Da die Mitarbeiter fast alle in der Nähe des Gutes in vom Betrieb errichteten Landarbeiterwohnungen hausten, so verbrachten sie die Pausen in ihren Wohnungen, um sich zur Mahlzeit an einen Tisch setzen und sich aufwärmen zu können.

Nach einigen Tagen Drescharbeit fiel meinem Vater an den in den Pausen heimgehenden Frauen eine Besonderheit auf. Auf dem Weg zur Wohnung gingen sie schwerfällig und mit behäbigen Schritten. Kamen sie von dort zur Arbeit zurück machten sie einen sichtlich erleichterten Eindruck. Auch flatterten ihre Röcke im Wind, die auf dem Weg nach Haus schwer heruntergehangen hatten. Es war daraus unschwer zu erkennen, dass sie in den Röcken etwas transportierten. Am nächsten Tag versammelte er alle Frauen auf dem Kornboden und ließ sie ihre Röcke anheben. Das taten sie dann auch sehr züchtig, aber schon dabei fiel ihnen Getreide auf den Boden. Nun wurde es ernst. Mein Vater befahl ihnen die unter den Röcken verborgenen Taschen restlos zu leeren. Am Ende der Aktion lagen mehrere Zentner Getreide auf dem Kornboden. Bedrückt und gebeugt verschwanden die Damen nach Hause.

Er meldete das Vorkommnis seinem Chefverwalter und dieser verwarnte die Belegschaft. Damit war vorerst einmal Schluss mit der Klauerei beim Dreschen.

Als mein Vater einige Wochen später das Ereignis seinem Vetter Haja Strachwitz berichtete, war dieser keineswegs erstaunt darüber und sagte ihm " Da kannst du nichts machen, du solltest nicht so kleinlich sein, von irgendetwas müssen die Leute ja leben. Das ist hier im Lohn mit eingerechnet."

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Nahkampf mit Sauen.

Am Ende des zweiten Weltkrieges wurden wir mit 16 Jahren beim Volkssturm im Nahkampf ausgebildet. Dazu stellte man vor uns im Gelände Attrappen von liegenden Soldaten aus Pappe auf. Wir mussten dann liegend auf eine Figur schießen, dann aufspringen und Hurra brüllen, die nächste Figur im Laufen mit einem Hüftschuss treffen und eine dritte mit dem aufgepflanzten Bajonett erstechen. Damals hatte ich den Hüftschuss fleißig üben müssen ohne zu ahnen, dass ich diese Kunst zweimal in meinem Jägerleben würde brauchen können.

Als junger Jäger war ich nach dem zweiten Weltkrieg im Winter oft bei der befreundeten Familie von Fürstenberg in Bruchhausen an den Steinen im Hochsauerland zur Drückjagd auf Schalenwild eingeladen. Damals gab es dort noch kaum Wirtschaftswege und wir jüngeren Schützen mussten lange, mühselige Wege berauf und bergab im Schnee zurücklegen um auf unsere Stände zu gelangen. Zwei Treiben am Tag fanden statt und es war immer ein Genuss Mittags am Feuer und Abends im Haus wieder warm zu werden.

Bei der Jagd, die ich hier schildern möchte, war der Anmarsch allerdings bequem gewesen, denn wir Schützen standen im Medebachtal auf einem Wirtschaftsweg. Vor uns der Bach, der durch eine Viehweide verlief. Der Gegenhang wurde getrieben. Alle in der Schützenkette konnte sich gut sehen und verständigen.

Als die Hunde und Treiber in der Dickung am Hang laut wurden wartete ich gespannt und schussbereit auf Wild. Bald darauf flüchtete ein starker Überläufer aus der Dickung auf die vor mir liegende Wiese, durchrann den Bach und kam spitz auf mich zu. Ich hielt auf den Stich und im Schuss brach die Sau blitzartig zusammen. Ebenso schnell war sie aber auch wieder auf den Läufen und flüchtete weiter spitz auf mich zu. Natürlich hatte ich sofort nach dem Schuss repetiert, doch die Kammer ließ sich nicht schließen, die Patrone klemmte im Verschluss. Nun war die Sau bei mir, drehte auf dem Wege um und kam auf mich los. Immer noch and der Büchse fummelnd sprang ich wie ein Torero zur Seite. Die Sau machte kehrt und nahm mich erneut an. Nun endlich hatte ich die Patrone im Lauf und die Kammer zu, hielt die Büchse wie erlernt an die Hüfte und streckte die Sau vor meinen Füssen. Erleichtert blickte ich auf meine schwer erkämpfte Beute. Das hätte auch schief gehen können.

Alle meine Nachbarschützen hatten natürlich zugeschaut und durch das Tal schallte ein vielstimmiges "Waidmannsheil".

Etwa 20 Jahre später hatten wir bei Schnee im Dezember im Kittenberg Sauen fest. Rasch wurden benachbarte Jäger und Freunde benachrichtigt und am frühen Nachmittag versammelten sich meine Gäste auf dem Schlosshof. Als Jagdherr begrüßte ich die Gesellschaft und gab Anweisungen für die Sicherheit und das freigegebene Wild. Dazu gehörte die eindringliche Bitte, keine Sauen über 50 Kg Gewicht zu erlegen. Danach fuhren wir zum Kittenberg hinauf.

Die Dickung, in der die Sauen steckten, war im oberen Teil durch Feld und im unteren Tei durch eine Altbuchenbestand begrenzt. Förster Eickhoff stellte die Schützen am Felde ab, um danach die Dickung mit den Hunden zu durchtreiben und ich stellte meine Schützen quer durch das Altholz, in dem ich dann auch selber meinen Stand einnahm. Neben mir stand unser erster australischer Gast, die 14 jährige Jenny Baker aus Sydney, in deren Familie Alice im Jahr darauf einen Monat im Schüleraustausch verbrachte. Sie sah ihren ersten Schnee und war sehr gespannt auf ein Jagderlebnis.

Nach einigem Warten ging der Lärm in der Dickung los. Die Hunde kläfften laut und auf dem Felde fielen einige Schüsse. Dann erschien eine sehr starke Sau von erheblich mehr als 50 kg am Dickungsrand und flüchtete meinen Nachbarn an. Als sie Wind von ihm bekam drehte sie ab und kam auf mich los. Ich dachte mir nichts Arges, nahm die Waffe nicht hoch und war überzeugt, das die Sau auch bei mir Wind bekommen und an mir vorbei flüchten würde. Doch sie kam rasch immer näher und im letzten Augenblick erkannte ich, dass sie mit Schaum im Gebräch mir ans Leder wollte. Gottlob war die Büchse entsichert und mit dem 30 Jahre vorher im Laufschritt geübten schnellen Hüftschuss brach sie wenige Zentimeter vor mir zusammen. Für Jenny war der Schrecken groß, fast wäre sie auf den nächsten Baum geklettert.

Wie erleichtert war ich, dass meine Nachbarn das Geschehen bei der guten Sicht in den Altbuchen hatten mitverfolgen können und mir auch diesmal wieder mit "Waidmannsheil" gratulierten. Als Jagdherr konnte ich ja nun wirklich nicht einen so starken Keiler vor meinen Gästen schießen, nachdem ich das ihnen untersagt hatte.

Es stellte sich heraus, dass der Keiler eine Verletzung an den Weichteilen aufwies, die wohl von Rangkämpfen während der Rauschzeit stammte, und die ihn augenscheinlich rabiat gemacht hatte.


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Waldi.

Im Jahre 1936 lief unserem Chauffeur, Hausmeister und passionierten Revierjäger ein außergewöhnlicher Hund zu. Es war ein kurzhaariger, gelber Riesendackel. Augenscheinlich eine Kreuzung von Dachsbracke und Kurzhaardackel. Waldi war eine echte Hundepersönlichkeit, selbstbewusst und stolz ließ er keine läufige Hündin im Dorf aus. Jagdlich war er ein Ass. Seine Nase war hervorragend und die Jäger der Umgebung riefen für schwierige Nachsuchen gern Karl mit Waldi zu Hilfe. Durch seinen muskulösen Körper, der nicht allzu groß war, fiel ihm die Arbeit im Fuchsbau leicht. Meist sprengte er den Fuchs rasch aus dem Bau. Wenn er sich aber mit ihm verkämpft hatte, musste man ihn ausgraben, denn dann ließ er nicht los und es war nötig ihn mit dem Fuchs zusammen herauszuziehen.

Er besaß echte Brackenveranlagung. Oft bin ich mit ihm in die Buchenalthölzer gezogen, wo im halben Hang die Hasen gern in der Sasse saßen. Wenn man sich ruhig hinstellte hielt der Hase es nicht lange aus und wurde flüchtig. Waldi nahm mit lautem Halse die Fährte auf und hetzte wie ein echter Bracke auf seinen für einen Dackel recht langen Beinen dem Hasen nach. Es klappte natürlich nicht immer, aber oft kam er hinter dem Hasen nach einer Viertelstunde an meinen Platz zurück und ich erlegte ihn, wenn er nahe genug war.

Mit Hilfe von Waldi erlegte ich meinen ersten Fuchs. Am einem strahlenden Sonnentag war ich mit ihm im Kittenberg unterwegs. Damals gab es dort noch keinen festen Weg und wir bummelten durch das Tal am Südrand des Kittenberges, das heute ein junger Buchenbestand ist. Damals war es ein alter Buchenbestand, der schon in Verjüngung stand. Plötzlich war Waldi in der Erde verschwunden. Er hatte eine Fluchtröhre der Füchse innerhalb der Verjüngung entdeckt, die nur zwei Zugänge besaß. Dumpf hörte ich ihn unter der Oberfläche bellen. Dann kam er rückwärts heraus, schoss zu dem anderen Eingang hinein und wütete aufs Neue. Mit schussbereiter Flinte stand ich daneben und beobachtete wie immer wieder die Eingänge wechselte und horchte auf das Rumoren der beiden Kontrahenten unter Tage.

Mit einem Male sprang der Fuchs mit Blitzgeschwindigkeit aus der Fluchtröhre. In meinem Schuss auf die relativ kurze Entfernung hin verendete er sofort. Waldi erschien sofort auf dem Kampfplatz, stürzte sich auf seinen Gegner und verbiss sich fest in seinem Hals. Nachdem ich ihn ausgiebig gelobt hatte, versuchte ich ihn mit streicheln und guten Worten von dem Fuchs zu lösen. Das war unmöglich. Mit grimmiger Wut biss er sich knurrend immer fester. Schließlich kam mir eine Idee. In der Nähe stand ein sauber aufgeschichteter Brennholzstapel. Ich fasste den Fuchs bei der Lunte und legte ihn mit dem dranhängenden Waldi auf den Stapel. Nun hing der Hund in der Luft am Fuchs. Das wurde ihm nach einer Weile zu unbequem und er ließ sich fallen.

Auch als er alte und grau geworden war, witterte er noch jede läufige Hündin im Dorf und verschwand zu seinen Liebesdiensten manchmal für mehrere Tage. Von einem solchen Ausflug ist er dann einmal nicht wieder gekommen. Wie er zu Tode kam haben wir nie erfahren.

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Opas Kutschpferde.

In den Jahren um 1900 gab es nur wenige Autos. Sie waren teuer und noch recht unzuverlässig. Wer beweglich sein wollte, war auf Pferdedroschken, die damaligen Taxis, oder eine eigene Kutsche mit Kutscher und Pferden angewiesen.

Meine Großeltern Elverfeldt lebten 1900 in Breslau. Mein Großvater Alexander war dort aktiver Offizier im Leibkürassierregiment "Großer Kurfürst" No. 1. Er war ein sehr sportlicher Mann und guter Reiter, dessen Spezialität die Ausbildung von jungen Rekruten und Pferden war. Daher legte er natürlich besonderen Wert auf flotte und temperamentvolle Pferde vor seiner Kutsche, die er oft auch selber fuhr. Nach langer Suche hatte er ein Paar elegante Rappen gefunden, die seinen hohen Ansprüchen genügten.

So wie wir heute mit Stolz unseren Freunden und Bekannten die Vorzüge unserer Autos vorführen, so taten das damals die Herren mit ihren Pferden und Kutschen. Mein Großvater also fuhr mit S-Klasse Pferden.

Im Jahre 1905 hatte der Kanzler Caprivi die Zölle für Getreide gesenkt und damit eine große Krise in der Landwirtschaft hervorgerufen. In Canstein kamen die Pächter der Güter in finanzielle Bedrängnis und gingen in Konkurs. Es war dringend nötig, dass mein Großvater in Canstein anwesend war und die Zügel der Betriebsleitung selber in die Hand nahm, denn sein Vater war auf Grund seines Alters dazu nicht mehr in der Lage.

So nahm er schweren Herzens Abschied vom aktiven Soldatenleben und zog mit seiner Familie nach Canstein um. Da der Transport des Umzugsgutes auf Grund der Entfernung bei den damaligen Verkehrsverhältnissen am besten mit der Bahn erfolgte verkaufte er neben anderen Dingen, die den Umzug erschwerten, auch seine Kutsche und die Pferde.

Als die Familie nun in Canstein eingezogen war, gab es natürlich erst einmal die Gutpferde, um mit der Kutsche nach Arolsen oder Marsberg zum Einkaufen oder zur Bahnstation zu gelangen. Mein Großvater wollte jedoch, wie man sich denken kann, wieder ein paar Pferde nach seinem Geschmack. Zu diesem Zwecke wandte er sich an den bekannten Pferdehändler Isaak Stern in Arolsen, der auch den Marstall des Fürsten mit guten Pferden belieferte. Er schilderte ihm welchen Typ von Pferd er bevorzugte und welches Temperament das Gespann haben sollte. Herr Stern versprach sein Bestes zu tun, er müsse ihm allerdings ein wenig Zeit lassen.

Einige Woche später meldete er sich und bat meinen Großvater nach Arolsen zu kommen und die Pferde zu besichtigen sowie zu fahren. Voller Spannung betrat er den Hof des Pferdehändlers, der ihn eilfertig begrüßte und die Pferde aus dem Stall führen ließ. Nachdem der Stallbursche die Pferde in allen Gangarten vorgeführt hatte und er sie eingehend betrachtet hatte, kamen sie ihm so bekannt vor. Er trat näher heran und erkannte an einigen Abzeichen am Kopf und an den Hufen, dass es seine Pferde aus Breslau waren. Der schlaue Fuchs von Händler hatte es geschafft, die Pferde, die er in Schlesien verkauft hatte wieder aufzutreiben. Da er sie sehr geschätzt hatte, kaufte er sie ihm ab. Den erheblichen Preisunterschied allerdings musste er berappen.

"Hätte ich die Pferde auch auf die Bahn verladen, wäre ich billiger davon gekommen" dachte sich mein Großvater ein wenig betrübt. Aber dieses Sinnieren wurde rasch verscheucht als er mit dem flotten Gespann von Arolsen heim fuhr.

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Mein erster VW-Käfer.

Nachdem ich im Jahr 1948 den damaligen Führerschein 1 für Kleinkrafträder und Traktoren mit siebzehn Jahren erworben hatte war ein Motorfahrrad Typ NSU Quick, das einen Zweitaktmotor mit 98 ccm aufwies, mein erstes Fahrzeug. 1949 folgte dann der Führerschein 3 und der Umstieg auf eine 250 ccm NSU und 1950 auf eine funkelnagelneue 250 ccm Victoria Aero. Das Motorradfahren im Winter war eine gute Schule, bei ich das Bremsen und Beschleunigen auf Eis und Schnee erlernte, eine Erfahrung, die mir noch heute beim Autofahren zugute kommt.

Im Oktober 1952 begann ich mein Studium an der Höheren Landbauschule in Soest. Als der Winter begann, durfte ich den 24 PS Käfer mit Brezelfenster meines Vaters übernehmen, der zwei Jahre alt war. Dieses brave Auto begleitete mich bis zu meiner Reise nach Amerika 1956. Es machte mich zu einem VW Fan und ich blieb dem Heckmotorprinzip bis in die 70er Jahre treu.

Der 24 PS Käfer war ein Auto für den Technikfan. Von der Drehstabvorderachse bis zum einfach aufgebauten Vergaser mit Starterklappe, dem leicht zu reinigenden Verteiler und den zwar pflegebedürftigen, aber gut von Hand einzustellenden Seilzügen von Bremsen, Kupplung, Drossel- und Starterklappe sowie der einfachen Elektrik kam dem gewieften Motorradfahrer alles bekannt und einfach vor. Ich konnte mir bei den meisten Pannen selber helfen. Ein einfach bestückter Werkzeugkasten genügte sogar zum Einstellen der Zündung.

Im Winter war die Pflege der Seilzugbremsen wichtig, denn ohne das richtige Schmierfett in ausreichender Menge konnten die Bremsen einfrieren. Als ich einmal deswegen festgesessen hatte, wurde ich durch Schaden klug.

Trotz regelmäßigem Abschmieren rissen hin und wieder die Bedienungsseilzüge, die längs durch den Mittelkanal der Bodenplattform nach hinten zu Motor und Kupplung führten. Wenn das passierte konnte sich der erfahrene Käferfahrer helfen. Wenn der Kupplungszug gerissen war konnte man immer noch schalten, denn das Getriebe war noch nicht synchronisiert. Mit ein wenig Zwischengas nach dem Herausnehmen des jeweiligen Ganges ließ sich der Nächste ohne Kratzen einlegen. Nur das Anfahren bedurfte der Geschicklichkeit. Ich ließ dazu zunächst den Motor warmlaufen. Dann stellte ich ihn ab, legte den zweiten Gang ein, schob den Wagen mit offener Fahrertür an und sprang, wenn der Motor anlief hinein und fuhr los.

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